Seiten

Donnerstag, 26. Juli 2012

Der Wecker zeigt mir an, dass ich verschlafen habe. 9:35 Uhr. Eigentlich wollte ich früher aufstehen. Wie hatte ich überhaupt so lange schlafen können? Es ist so verdammt stickig in meinem Zimmer, dass mein eigener Schweiß an mir haftet, meine Haare kleben mir im Nacken und Stirn. Und das, obwohl ich nichts als Unterwäsche anhabe, und nicht einmal zugedeckt bin.
Seufzend stehe ich auf, mach mein Netbook an und gehe runter. Ich schiebe zwei Brötchen in den Backofen. Eins für mich, eins für meinem Bruder.
Sport kann ich jetzt eh vergessen. Packen ist angesagt, und duschen und rasieren. Gegen Mittag werde ich nach Hannover fahren, und dort meinen halben Tag verbringen. Ein Teil von mir freut sich darauf. Ein anderer, verschlafener, hat keine Lust sich jetzt den Stress anzutun.
Ich betrete das Bad, sehe dass die Waschmaschine an war. Das kleine Lämpchen neben "Ende" blinkt.
Ich hänge die Wäsche draußen auf. Heute wird es mal wieder zu warm für meinen Geschmack. Viel lieber habe ich mildes Wetter. Wenn die Sonne scheint, nicht explodiert. Ein sanfter Wind, der durch die Blätter weht und einige hinunterreißt. Herbst. ich vermisse den Herbst. Das Geräusch der vertrockneten Blätter. Den Geruch.
Aber ich wollte ja unbedingt Sommer, und jetzt ist er da. Sommer, bitte komm, dann kommt auch bald der Herbst.
Wenn ich nachher vom shoppen in Hannover wieder komme, werde ich meine restlichen Sachen einpacken. Und morgen früh werde ich aufstehen, mir in Ruhe einen großen Becher Joghurt nehmen und ihn genießen. Dann wird jemand an meine Tür klopfen und fragen »Fertig? Können wir jetzt losfahren?«, und ich werde mich ins Auto setzen, den Blick auf die Uhr um auszurechnen wann ich ankommen werde.
Eine Woche fort aus diesem Kaff, hinein in ein anderes, zu einer meiner besten Freunde. Weg von diesem Leben.

Donnerstag, 12. Juli 2012

Das Wasser im Spülbecken ist nun kalt. Die Schaumbläschen schon längst verschwunden. Benommen ziehe ich meine Hände aus dem Wasser und trockne sie ab. Wie lange stand ich dort? Meine Gedanken sind völlig durcheinander ich bin verwirrt, völlig hilflos.
Heute Morgen bin ich mit Wadenkrämpfen aufgewacht.  Ich hatte um mich geschlagen, gewimmert, bin aus dem Bett gefallen und auf dem Rücken gelandet. Für einen Moment hatte ich keine Luft mehr bekommen.
Das Ziehen in meinem Bein erinnert mich auch jetzt, Stunden später noch an den Krampf. Auch dieser brennende Kratzer am Knöchel; wahrscheinlich hatte ich mich unbewusst gekratzt. Die Rückenschmerzen vom Aufprall aber sind schon verschwunden. Ich dreh mich um, nur ganz kurz. Blicke über die Schulter und dann auf meine Hände. Es war wie ein Schlag ins Gesicht. Wieder diese Tagträume, diese Einbildungen, dumme Gedanken. Ich hatte mich umgedreht, mich umgeguckt. Doch da war .. Nichts. Ein leeres, schreiendes Nichts. Mein Hirn malt sich wunderbar schmerzhafte Momente aus. Da, eben als ich über meine Schulter geguckt habe .. für einen Moment hatte ich das Gefühl, dass da jemand ist, der mich von hinten umarmen will, mich vor der Welt beschützen. Doch da ist natürlich niemand, ich bin heute den halben Tag alleine zu Hause. Allein sein - das liebe ich. Aber das hier fühlt sich ganz anders an. Ich sehne mich, verzehre mich nach Liebe. Gleichzeitig will ich das nicht. Beziehungen, Liebe, Gefühle - all das ist zu Viel für mich und doch verlange ich nach mehr. Oder nach wenigstens etwas. Nur ein kleines Bisschen. Keine Einsamkeit.
Da breche ich in Tränen aus, meine Finger krallen sich in meine Oberschenkel, ich sinke zu Boden und kauere da eine Ewigkeit herum. Ich bin so nutzlos, gestört, krank.
Ich kann nicht mehr diesen Tagträumen Wunschträumen Einbildungen standhalten. Sie sind zu viel für mich. Ich brauche jemanden, der mich da rausholt. Aber bin ich das überhaupt wert? Sowas wird nie passieren. Nächste Woche 'Einschulung'. Hunderte fremde Gesichter. Irgendwo dazwischen drei, vier, die ich von meiner alten Schule kenne. Doch ich werde in eine Klasse kommen, wo ich niemanden kenne. Andere Fachrichtung halt. Drecksleben. Ich will nicht, ich will das nicht. Ich sehe sie vor mir, diese Gesichter. Die mich als das sehen, was ich bin, aber nie sein wollte. Bitte, bitte lass da jemanden sein, der so ist wie ich. Jemand mit dem ich mich anfreunde, mit dem ich reden kann. Irgendjemand. Ich brauche Halt. Alleine schaffe ich das einfach nicht.

Dienstag, 10. Juli 2012

Mein Kopf platzt gleich. Szenen, Momente von diesem Abend wirbeln in meinem Kopf rum. Ich habe vergessen, wie ich sie ordnen kann. Da ist zu viel im meinem Kopf, ich kann nicht mehr.
Ich, wie ich auf der Decke liege. Um uns die Wiese, schlechte Musik. Wir sind nah am Fluss. Du neben mir, um uns unsere alte Klasse. Al, nicht meine beste Freundin, aber eine unersetzliche. Ich werde müde, und das ist es was mich wirr werden lässt.
Du beugst dich zu mir, und ein Bild taucht in meinem Kopf auf. Für einen Moment, nur eine winzige Sekunde lang glaube ich du küsst mich jetzt. Und das was mich erschreckt ist, dass ich es zugelassen hätte. - Aber du küsst mich natürlich nicht. Du hälst mir einen kleinen Cracker an die Lippen, und ohne nachzudenken öffne ich meine Lippen. Ich muss lächeln, als du mich so fütterst. Einer aus unserer Klasse starrt uns an, doch das stört uns nicht.Ich verfüttere ein Y-Cräcker an dich.
Der Tag vergeht schnell. Schon eine Ewigkeit liege ich auf der Decke, und du hast deinen Kopf auf meinen Bauch gebettet. Und weil ich nicht anders kann, sind meine Hände in deinen Haaren vergraben und spielen mit ihnen. Du guckt auf dein Handy und zwei Stunden sind vergangen.
Doch an diesem Tag warst du nicht die Einzigste, die mich Verwirrt, hat. Obwohl ich noch keinen Schluck getrunken habe, fühle ich mich aufgekratzt, ich lache. Aber wieso? Darüber muss ich schon so lange nachdenken. Ist es, weil ich mich in Bücher flüchte? Die wahre Welt hinter mir lasse, mich von Märchen und unmöglichen Erwartungen einweben lasse? Erwartungen, davon trage ich schon zu viele mit mir rum. Aber vielleicht dehydriere ich; denn ich habe nicht nur Alkohol gemieden, sonder jegliche Art von Flüssigkeit heute. Aber kann Flüssigkeitsmangel einen irre werden lassen? So fühle ich mich.

Mein Kätzchen, dich habe ich seit dem Tag, an dem du schon um fünfzehn Uhr weg musstest, nicht mehr gesehen. Du berührst meinen Arm und das genieße ich. Und weil meine Gedanken nicht mehr kontrollierbar und normal sind, wünschte ich, du würdest dich zu mir legen, dich an mich kuscheln und mich die Welt vergessen lassen. Doch du sagst nur, dass ich mitkommen soll. Hier gibt es keine Toiletten, und alleine pinkeln gehen - wer will das schon. Also gehe ich mit und will so schnell wie möglich wieder zu meiner Decke und mich dort hinlegen.
Doch da begegnet wir ihm. Scheiße verdammt. Ich bin nicht mehr ganz klar im Kopf. Ich weiß was jetzt kommt - er ist betrunken, und knuddelbedürftig. Richtig gefährlich, denn das liebe ich. Ich denke so oft an dich die letzte Zeit, und wünsche mir immer mehr wir wären beste wenigstens gute Freunde.
Du kommst auf uns zu und breitest deine Arme aus. Es schmerzt, so sehr brauche ich diese Umarmung. Es schmerzt, deswegen hebe ich so wie du meine Arme und lasse mich nur allzu bereitwillig von dir umarmen. Ich brauche das viel zu sehr. Es sind nur wenige Sekunden, die ich mit aller Macht festzuhalten versuche. Du bist nun größer als ich, du bist gewachsen, im Gegensatz zu mir. Deine Arme sind stärker, drücken mich an dich, und ich drücke klammere mich an dich. Ich will das genießen, doch habe ich verlernt wie das funktioniert. Irgendwie taumeln wir ein bisschen, aber ja du bist ja betrunken. Denn nüchtern umarmst du mich nie so. Überhaupt nicht. Ich inhaliere deinen Duft, ich lache, ich bin benebelt. »Wie viel hast du getrunken?« frage ich. Du nuschelst eine Antwort, doch die dringt gar nicht zu mir durch, weil sie mir egal ist.
Dieser viel zu kurze Moment, in dem so viel passieren zu sein scheint, zerplatzt und du löst dich aus der Umarmung. Du gehst, ich gehe.


Doch der Abend ist nicht vorbei. Als du mich das zweite mal diese Nacht in den Armen hälst, keuche ich auf. Du drückst mich so doll, dass ich  für einen Moment keine Luft bekomme. Du lachst, und ich stimme mit ein. »So zerbrechlich«, höre ich dich sagen. »Klein, schwabbelig und zerbrechlich.« Du scherzt nur, doch irgendwo trifft es mich.
»Ja, ich bin schwabbelig«, gebe ich lachend zu.
»Bestehst nur aus Schwabbel und Knochen. Und Haare.« Lachen. Du löst dich wieder aus der Umarmung. Und wieder gehen wir aneinander vorbei. Mir wird klar, dass ich dich wohl möglich das letzte Mal umarmen durfte, dich das letzte Mal sehen. Dich werde ich am meisten vermissen.
Es vergehen einige Sekunden, als ich meinem Kätzchen beichte: »Ich will ihn nochmal umarmen.« Und ich weiß ganz genau, dass sie mich in diesem Moment für verrückt hält. Doch das bin ich schon den ganzen Tag. Verrückt, irre, krank, neben der Spur. Ich träume von Küssen und Umarmungen, sehne mich nach Liebe, nach Wärme. Sogar mein Kätzchen will ich jetzt einfach in die Arme ziehen, Ihr Gesicht in die Hände nehmen und sie küssen. Scheiße verdammt, was geht in mir vor? Was passiert mit mir?
Ich glaube, ich bin zerstört.

Sonntag, 8. Juli 2012

You are the smell before rain.
You are the blood in my veins.

Freitag, 6. Juli 2012

Ich fühle mich leichter, unabhängiger, wie ich hier eingekauert wie ein Embryo in Unterwäsche auf meinem Bett sitze. Ich mache mich so klein wie möglich. Beantworte Fragen auf ask.fm und er liked die Hälfte. In diesen Moment fühle ich mich wohl. Auch wenn alles so scheiße ist im Moment.
Wenig später schalte ich mein Netbook aus und dämmere, noch immer in Embryohaltung, weg.
Und heute bin ich aufgewacht, Augen auf gemacht, Sonnenstrahlen im Gesicht - halte die Welt an und bin auf und davon! Ich gehe dir dir entgegen, muss lächeln noch bevor ich dein Gesicht erkenne. Deine Arme hinterm Rücken verschränkt, schätze ich, gehst du schneller auf mich zu. Du hörst mein Lachen und erwiderst es. Am liebsten würde ich auf dich zu rennen, dir in die Arme springen. Doch die Flip Flops, die sich zwischen meine Zehen bohren, mein Hüften, meine Rippen die schmerzen, und auch du halten mich zurück. Noch ein Schritt. Ich will dich in die Arme nehmen, dich hochheben und mit dir im Kreis drehen, dein Lachen noch einmal hören. Doch da bleibst du stehen, nimmst deine Arme vom Rücken und hälst mir ein winziges Sträusschen wilder Blumen entgegen. Mir entfährt ein seltsamer Laut, dann lache ich. Halte mir die Blümchen an die Nase, doch rieche nichts. Ein »Danke« entfährt mir, dann nehme ich dich einfach in den Arm, schon ganz vergessen, was ich vorhatte.
Sie bleibt bei mir, reden über belanglose Dinge. Die Hitze der Straße verbrennt mir die nackten Füße, und so rennen wir zu mir. Es tut gut, dich spontan mit zu mir zu nehmen. Du rettest meinen Tag ein wenig, und dafür bin ich dir dankbar.
Es ist erst fünfzehn Uhr, als du abgeholt wirst. Da ich nichts weiter vorhabe, gehe ich raus. Gehe einmal ums Dorf und sehe den Kirschbaum am Dorfrand. Ich pflücke mir drei Kirschen, die in meinen Mund zerplatzen. Kaum bin ich zu Hause, nehme ich mir eine tiefe Schüssel, verlasse das Dorf wieder um Kirschen zu pfücken. Illegal ist es nicht, die Bäume gehören niemanden. ich klettere auf Bäume, ziehe Äste zu mir herunter um besser an die Kirschen zu kommen. Sie wollen mich zu ihnen hinaufschleudern, sie wollen mich mitreißen. Und in diesen Moment fühle ich mich seltsam leicht. Eine Weile sitze ich in einer ungemütlichen Position einfach nur auf dem Baum und beobachte die Felder um mich herum. Etwas weiter hinten sehe ich die dunklen Wolken am Himmel, die schwache Schatten auf ein Rapsfeld werfen.
Ich kehre mit voller Schüssel zurück, und fühle mich als hätte ich seit Wochen endlich mal wieder etwas nützliches getan. Meine Hände aufgeschürft, meine Baumwollhose voller kleiner Kügelchen die an ihr haften, Wunden die sich anfühlen, als wären sie aufgerissen.
Da passierte es. Ich erinnerte mich plötzlich an diesen Moment mit dir. Schon wieder, ein Moment mindestens drei Jahre her, als wir noch zusammen waren.  Es war Winter, wir saßen uns gegenüber auf dem Boden. Ich lehnte halb gegen der Wand, unsere Füße berührten sich. Wir beide weinten. Dann plötzlich zogst du meine Hand zu dir, und für einen absurden Moment hoffte ich, du würdest mich in deine Arme ziehen. Doch du hast nur auf die kleinen Kratzer auf meiner Hand gestarrt, mich gefragt wo die herkommen. Anstatt dir eine Antwort zu geben, brach ich in einen Heulkrampf aus. Enttäuschung spiegelte sich in deinem Gesicht.
»Versprich mir, dass du das nie wieder tust«, hattest du von mir gefordert. Meine Gedanken riefen Ach, und du darfst das?! Doch ich gab dir sofort mein Versprechen, ich liebte dich. Dann schlossen sich deine Arme um mich. Und ich wünschte, ich hätte dieses Versprechen nie jemanden gegeben, weder meinen Freunden noch dir. Denn ich brach es oft genug.

Mittwoch, 4. Juli 2012

Es fühlt sich einfach schrecklich an. Leere, irgendwo in mir. Ich liege in ihrem Bett und atme leise, schwer. Mir ist kotzübel. Darauf bedacht sie nicht zu wecken, schleiche ich ins Bad und setze mich auf den Toilettendeckel, hoffe darauf, dass die Magenkrämpfe und Würgreize durch ein Wunder verschwinden.
Ich kralle meine Finger in meine Wunden, doch körperliche Schmerzen können nichts auf der Welt ersetzen. Schmerzen bringen meine Gedanken und Gefühle nicht zum Schweigen.

Ich gebe auf und schleiche zurück in ihr Zimmer, setze mich neben sie. Eine Weile beobachte ich, wie sich ihre Brust hebt und senkt. Ich denke sie schläft noch, doch dann dreht sie sich um und schaut mir müde ins Gesicht.
»Schlaf weiter«, murmelt sie leise. »Nö«, gebe ich zurück, und doch lege ich mich neben sie und lausche ihrem Atem, bis er gleichmäßiger und ruhiger wird. Unbeschwert schläft sie weiter.
Ich hasse Menschen. Ich hasse Menschen. Ich hasse Menschen.
Menschen faszinieren mich, grausam und doch so empfindlich. Nur der Mensch erkennt, dass er alleine ist.

Sonntag, 1. Juli 2012

Wintermädchen

Der Mond erhellt mein Zimmer. Der Ventilator saugt Strom aus der Steckdose und versorgt mich mit kühler Luft. Seufzend schlage ich die Decke zurück. Meine Finger berühren sanft meine Augenlider. Ich versuche diesen Moment zu genießen, zu bewahren. Aber sowas gelingt mir nie.
Schwankend stehe ich auf und gehe zum Schrank. Ich krame in der Schublade rum, bis ich die Glasscherben hörte: ein süßes Flüstern in der Nacht. Ohne weiter darüber nachzudenken ziehe ich meine Hose ein Stück runter. Die scharfe Spitze einer Scherbe bohrt sich in meine Hüfte, zieht ruckartig eine gerade Linie. Noch einmal ansetzen, Linien ziehen. Blut quillt aus den Schnittwunden. Meine Finger wischen es fort, ich lecke die warme Flüssigkeit von mir ab. Salzig, metallisch.
Warum?  Es wundert mich immer wieder, wie selbstlos ich das mache. Weder soll es Schmerz vertreiben noch ersetzen. Ich fühle nichts dabei.
Warum?  Zum Spaß. Mein Körper ist meine Leinwand.


"Früher war mein ganzer Körper meine Leinwand - brennende Schnitte, die wie Flammen an meinen Rippen leckten, Leitersprossen, die meine Arme emporkletterten, dicke Stängel von Unkraut, die um meine Schenkel wucherten.  
Eine Tochter, die vergisst wie man isst, war zwar schlimm, aber das war eben eine Phase. Aber eine Tochter die ihre Hauthülle öffnet, die ihren Panzer abwirft, damit sie tanzen kann? Das fand er schlicht und ergreifend krank." - Wintermädchen